Oder warum ein gelungener Tag durchaus auch eine Reihe von Katastrophen haben kann. Vorab: Es war ein guter Tag. Daran ändern auch die kleinen Zwischenfälle nichts. Aber schlussendlich zehrt es schon an Dir und Du fragst Dich, warum gerade Du selbst immer wieder in Situationen dieser Art gerätst. Der Reihe nach und – weil es spannender ist – im Präsens.
Gegen 8:15 Uhr komme ich an der Rennstrecke an. Den Scheibenwischer schalte ich zum ersten Mal heute ein, als ich auf den Parkplatz fahre. Ich hatte es befürchtet, dass es Regen geben würde. Dass es aber so früh anfängt, nimmt mir ein wenig die Lust auf den Tag mit den Kunden. Sie tun mir jetzt schon leid, denn häufig unterschätzen sie die Wirkung widrigen Wetters am Rennplatz. Denn ist man erst einmal nass, wird es richtig ungemütlich.
Die Kunden kommen gegen 9 Uhr; und richtig: Wir teilen uns drei kleine Schirme mit 7 Personen. Eine rechte Regenbekleidung hat niemand. Es regnet stärker. Die Besichtigung des Fahrerlagers und die damit verbundene Begeisterung lässt sie das Wetter vergessen. Ich fürchte mich vor dem langen Nachmittag.
Nach dem Besuch bei unserem Rennteam gehen wir zur Tribüne. Im dichten Gedränge wird die ohnehin nicht einfache Aufgabe alle unter den Schirmen zu halten unmöglich. Die ersten werden nass bis auf die Haut. Während des Rennens setzt böiger Wind ein, der den Regen bis weit unter die Schirme drückt. Von unten rauf wird es unangenehm. Ich sehe erwachsene Männer zittern. Nicht vor Freude, sondern vor Kälte. ‚Mit so einem Wetter habe niemand gerechnet‘, heißt es bald. Aha.
Als das Rennen wegen „unfahrbarer Bedingungen“ abgebrochen wird, beenden wir unseren Besuch trotz noch anstehenden Programmpunkten wegen „unerträglicher Bedingungen“. Auf dem Weg zu Parkplatz stellt sich Erleichterung ein. Dennoch: Auch ich bin nass, von den Füßen bis zum Knie und and Schultern und Armen. Die Verabschiedung fällt kurz und herzlich aus: Spaß hatten sie alle. Trotz allem.
Auf dem Weg zum Flughafen stelle ich die Heizung meines Wagens auf 26°C und genieße die warme Luft. Mein Kopf wird ob der tropischen Temperaturen im oberen Teil des Wagens langsam rot. Meine Füsse hingegen bleiben kalt und nass und vermutlich auch rot.
Erst im Flughafen kommt bei einem Kaffee langsam wieder Leben in mich. Das Laptop auf meinen Beinen wärmt angenehm. Irgendwo schreit unablässig ein Kleinkind. Mir ist’s egal. Heute kann mich nichts mehr schrecken.
Ich bin froh schließlich im Flugzeug zu sitzen. Es kam mit Verspätung an, wurde schnell gereinigt aber kaum gelüftet. ‚Im typischen Flugzeugmief des letzten Fluges kann man nicht frieren‘ denke ich, als das Schreien näher kommt. Obwohl neben uns ein weiteres Flugzeug die Triebwerke bereits angelassen hat, kann ich das Kind auf dem Rollfeld schreien hören und befürchte Schlimmes.
Eine hektische Akademiker-Familie mit Design-Brillen auf den Nasen besteigt schließlich ein schreiendes Bündel im Arm der Mutter tragend unsere kleine Propellermaschine. Aus meinem Schreck wird eine Panik als sie sich genau in die Reihe hinter mich setzen. Nur wenige Sekunden später malträtiert ein erste kräftiger Tritt meine Sitzrückenlehne, gefolgt von nicht gezählten weiteren Attacken auf Wirbelsäule und Nieren. Nun fürchte ich mich vor den bevorstehenden 45 Minuten Flugzeit.
Während der ohne Unterbrechung schreiende Balg hinter mir ungeahnte Kondition beweist erfahren wir vom Piloten, dass man weitere 25 Minuten mit dem Start warten müsse. Am Zielflughafen stünden nicht genügend Fluglotsen zur Verfügung. Ich glaube eher, dass Düsseldorf den sirenenartig zeternden Terroristen hinter mir nicht haben will. Zusammegefasst kommt mir meine Situation ausweglos vor: Ich werde von Stressattacken geschüttelt wahrscheinlich innerhalb der nächsten 10 Minuten einen Hirnschlag oder etwas Vergleichbares erleiden. Nach Hause komme ich nie wieder.
Ich beschließe mich vorsorglich tot zu stellen und nicke trotz des Lärms überraschend ein. Beim Starten werde ich kurz wach, vergleiche den Pegel des Geschreis hinter mir mit den dröhnenen Propellern, kühre den Knaben zum eindeutigen Sieger und stelle mich wieder tot.
Erst als wir mit einem heftigen ‚Rumms‘ in Düsseldorf aufsetzen verschlägt es dem Juniortaliban hinter mir die Sprache. „Ja jetzt ist endlich was los, was?“ höre ich seinen überforderten Vater zu ihm sagen. ‚Gott sei dank‘ denke ich, wir sind gleich da. Am Kofferband oder kurz danach verliere ich die junge Familie aus den Augen. Ruhe kehrt ein. Die Fahrt heim genieße ich mit lauter Musik. Habe mich irgendwie daran gewöhnt. Nicht gewöhnt habe ich mich jedoch an meine immer noch nassen Füsse…
Es gibt halt Tage mit einer Reihe von Katastrophen. Solche, für die man nichts kann und solche, die man selbst verschuldet. Das mit den nassen Füssen hätte bei geeignetem Schuhwerk vermieden werden können. Soviel zum „warum immer ich?“