Eine meiner Kolleginnen verabschiedete sich heute in den wohlverdienten Urlaub. Ich beneidete sie. Darum startete ich eine massive Widerstandsaktion.
Zunächst flehte ich sie an zu bleiben, weil ich sie sonst schrecklich vermissen würde. Das bedauerte sie, beeindruckte sie jedoch nicht. Sie wolle dennoch fahren.
Dann machte ich ihr Komplimente. Sie sähe bereits so gut uns erholt aus, dass sie gar nicht mehr in den Urlaub fahren müsse. So sehr könne sie sich gar nicht erholen, dass sie noch besser aussähe. Sie dankte für das Kompliment, erläuterte, dass sie sich sehr wohl sehr erholen müsse und unterstrich, dass sie darum auch fahren würde.
Daraufhin führte ich ihr die bösen Nachteile eines Urlaubs auf: Sonnenbrand, Fremdsprachenstress, Anstrengungen bei An- und insbesondere bei der Rückreise, möglicher Ärger mit dem Gatten und den Kindern bedingt durch Lagerkoller, Schlaf- und Verdauungsstörungen, Kosten für Ansichtskarten nebst Briefmarken und Gefahren beim Bad in der See durch unterspülende Brandung und billigst gefertigte Schwimmhilfen. Sie dankte für die Risiken-Analyse, schwor jedoch auf das enorme Chancenpotenzial ihres Urlaubs und bekräftigte, dass sie dennoch fahren würde.
Ich beschloss aus Pietätsgründen drohende Geschlechtskrankheiten und mögliche Naturkatastrophen mit ihren nicht absehbaren Folgen in unterentwickelten Ländern auszulassen und gab den Beleidigten. Ich sah ein, dass ich sie nicht umstimmen konnte und wünschte ihr und ihrer Familie einen schönen Urlaub.
Sie dankte wiederum, hob hervor, dass sie wirklich urlaubsreif sei und dass ich vermutlich recht hätte, dass sie auch nach dem Urlaub urlaubsreif sei. Bevor ich rechthaberisch meine vorangegangene Argumentation wieder aufnehmen konnte, schaute sie mich an und fragte: „Und Du? Bist Du nicht auch ein wenig urlaubsreif?“ Könnte schon sein‘, dachte ich bei mir, ‚könnte schon sein…‘
Euch allen einen schönen Start in die Ferien. Ich warte hier dann mal, bis Ihr alle wieder da seid…