Hört mir auf mit Träumen
Träume. Das ist für mich der am meisten überschätzte Stoff, aus dem manche Menschen ihre Welt stricken. Es heißt ja, dass Träume eine psychische Aktivität während des Schlafes seien, die häufig von lebhaften Bildern begleitet und mit intensiven Gefühlen verbunden ist. Das stimmt. Wobei diese Umschreibung offen lässt, ob es sich bei den Begleiterscheinungen um Angenehme oder eher Unangenehme handelt. Irgendwie habe ich jedenfalls eine Dauerkarte für die bösen Filme gelöst und könnte daher auf die Träume getrost verzichten.
Träume werden im Allgemeinen idealisiert. Mehr noch, sie werden zu etwas hochstilisiert, was sie gar nicht sind. Beschreibt meine Tochter beispielsweise meinen Nachtisch als „traumhaft“, bin ich gerne bereit das romantische Bild einer wunderbaren Vorstellung zu bemühen. Nennt mein Sohn eines meiner neuen Musikstücke „traumhaft“ kommt das meinem Verständnis von „Träumen“ näher. Aber das ist eine andere Geschichte.
Andere Menschen träumen davon, einmal im Lotto zu gewinnen, einmal nach Amerika reisen zu können oder dass das Gras im Garten nicht so schnell wächst. Sie träumen von der Traumhochzeit, vom Traumstrand oder träumen unentwegt traumwandlerisch ihren ewigen Jugendtraum. Unverbesserliche Traumtänzer. Manche Menschen hoffen sogar, dass Ihre Träume wahr werden. Wenn meine Träume wahr werden sollten, schaffe ich es mit dem, was mir und dem Rest der Welt dann widerfährt, locker in die Tagesschau.
Nicht dass es in meinen Träumen um Mord und Totschlag, um Not und Elend oder gar um die globale Gefährdung des Weltfriedens gehen würde. Ganz im Gegenteil. Die Protagonisten meiner Träume sind eher so gewöhnlich wie ein Skistock, ein Poesiealbum und ein eingeschweißtes Stück Leberwurst. Jedes für sich überhaupt nicht gefährlich. Wenn ich aber in einem meiner Träume das Poesiealbum aufschlage, um darin zu blättern, sich dann plötzlich und gleichermaßen unaufhaltsam ein Skistock mir entgegen dreht und – als ich das Buch erschrocken daher geworfen, um zu fliehen – in einer überdimensionalen Wurstspeise fest gehalten werde, dann bin ich vielleicht sogar einer Sondersendung nach der Tagesschau („das nachfolgende Programm verschiebt sich um 15 Minuten!“) nahe!
Meist kann ich mich nicht an all‘ den geräumten Unsinn erinnern, was mir wie ein Segen erscheint. Doch kürzlich war alles ganz anders. Ich habe von einem Paar Schuhen geträumt, das sich zwar in meinem Schuhschrank befand, mir allerdings völlig unbekannt war. Überraschenderweise passten die Treter und sie gefielen mir. Als ich am nächsten Morgen an meinem Schuhschrank stand, suchte ich nach genau diesem Paar, an das ich mich glasklar erinnerte. Zu meiner großen Enttäuschung stellte ich fest, dass der schicke Schuh nur in meinen Träumen existiert hatte und das sollte mein Verhältnis zum Träumen an sich nicht bessern.
„O ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt“ dichtete einst Friedrich Hölderlin. Da stelle ich mich doch gerne auf ein karges Leben ein. Auf das Paar Schuhe verzichte ich gern.