"Leben erleben, mit dir, den anderen, und mir"

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Veröffentlicht: 10 Jahren her

Reklamation

Herbstgesichtsgeschichte

Als es eines Tages wieder Herbst wurde, überzog die Menschen Traurigkeit. Weg war das Licht des Sommers. Der Kurs stand eindeutig auf kurze Tage, lange, dunkle Nächte und frischen Winterspeck. Besonders meine bessere Hälfte mochte es auch in diesem Jahr nicht wahr haben und trauerte der warmen, hellen Jahreszeit nach. Von fallenden Blättern, grauem Himmel und Wind, der Frisuren angreift, will sie nichts wissen. Sie und der Herbst – das ist eine schicksalhafte Beziehung. Er ist unvermeidbar, sie würde ihn am liebsten ersatzlos abschaffen.

Ein Klassiker fast schon der allmorgendlich bange Blick nach draußen, wie sich das Wetter denn nun an diesem Tag gerade präsentieren würde und ob sich meine Liebste neuen Mutproben auszusetzen hätte. Lieber geht sie zum Zahnarzt als bei typischem Herbstwetter vor die Haustür. Unglaublich leiden muss sie demnach, wenn der Wind ihren geliebten Sommer mitsamt seiner lauen Abende, seinen blühenden Momenten und den Zugvögeln gen Süden bläst. Zu gerne würde sie mit ihnen ziehen. Kann sie aber nicht, denn sie kann ja nicht fliegen und ich hätte sie halt auch lieber hier, bei mir. Sie ist und bleibt eben ein Kind der Sonne. Kein Tag ist ihr zu heiß, oder zu lang, frei nach dem Motto: Lieber Sonnen- als Gefrierbrand. Dass sich der Sommer für mich meist in klebrige Wochen in ungeeigneten Klamotten und ungeliebtem Rasenmähen auflöst, nimmt sie billigend in Kauf.

Als die Sonne dann heute – völlig überraschend – zwischen Sturmböen und umher fliegenden Gullideckeln in ihr Büro schien, da war die Welt für sie einen Moment lang halbwegs in Ordnung. Offenbar hatte Petrus all‘ ihr Rufen und Klagen erhört und ihr ein paar Strahlen auf ihren Schreibtisch geschickt. Und doch klagte sie gar bitterlich, dass zugleich Regentropfen an das Fenster klopften.  Ein sonderbares Schauspiel ganz sicher, aber andererseits eben wie so oft im Leben: Man kann es den Menschen nicht recht machen. Wäre ich Petrus, wäre ich enttäuscht. Immerhin ist „Sonne“ halt „Sonne“. Von „Sonne ohne Regen“ war eben keine Rede.

Meine Liebste wird ihn überleben, den Herbst, wie auch schon einige andere Herbste zuvor. Aber auch dieser hier wird ihre ganze Verachtung zu spüren bekommen und ich in seinem Kielwasser mit, wenn sie ihr Herbstgesicht darbietet. ‚Auch gut‘, denke ich mir und freue mich auf Weihnachten, denn dann ist es vorbei mit dem düsteren Blick.

Hoffentlich…

 

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